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Wir hatten uns Ostfriesland allmählich von außen genähert.
Im Emsland und Weserbergland über
kleinere Städte wie Stade und Cuxhaven hatten wir unser Programm live
feingeschliffen, hatten uns
freigespielt, während wir in unserer Heimat immer nur die Gerüchteküche
über die einst so erfolgrei-
che Band eher wenig am Kochen hielten. Hier waren wir nur die netten Jungs,
die irgendwie auch
was mit der Musik noch am Hut hatten. Das sollte ab dem nächsten Frühjahr
anders werden. Eine
ganze Ostfrieslandtournee stand auf dem Programm. "Oll Mai-Festival"
in Aurich, Festhalle Wies-
moor, Open Air auf der Nesse, Emder Rock-Ei, und diverse JZ- und Kleinkonzerte
auf dem Lande.
Starten sollte das ganze aber im November in Aurich, dort, wo wir bisher
eher selten aufgetreten
waren, im Ostfries-landhaus.
Die
Vorbereitungen waren gigantisch. Unsere neue PA-Anlage funktionierte mittlerweile
nach diversen
Aufrüstungen recht gut, und in der Uni-Oldenburg hatte ich extra
150 Plakate als Siebdrucke herge-
stellt. Zudem kamen jede Menge Aufkleber, damals ein Novum. Auch im Programm
hatte sich was
getan. Erstmalig wollten wir so etwas wie ein Rockmärchen, eine Geschichte
einer Stadt, die infolge
eines Reaktorunfalls im Laufe der Jahrtausende nur noch von Mutanten bewohnt
wird, auf die Bühne
bringen, echte Science Fiction, aus einer Mischung von Livemusik, gesprochenem
Text, Tonbandef-
fekten und entsprechender Dia- und Feuershow. Wir hatten recht martialische
Bilder ausgesucht.
Das passt auch politisch in die Zeit und es wurde Zeit was dazu zu sagen.
In Deutschland formierte
sich gerade die Anti-AKW- und Friedensbewegung und das hatte sich sogar
bis Ostfriesland rumge-
sprochen.
Für
das Konzert hat sich ein großer Freundeskreis angekündigt.
Haben bereits am Vorabend die An-
lage aufgebaut und den Raum ausgeleuchtet. Nachmittags dann ab 15.00 Uhr
im abgedunkelten Saal
eine Liveprobe, mit allem Licht- und Diakram bis auf das Feuerwerk. "Ganz
schön, aber da fehlt noch
was, da muss irgendwie mehr Action auf der Bühne rein." Kurze
Überlegung. Die Zeit läuft. Von uns
kann keiner solche Action machen, dafür ist das Stück viel zu
kompliziert. Irre Tempiwechsel, drei-
stimmiger Satzgesang, da läuft nix. Dann die spontane Hilfe. Helmut
unser alter Bassist erklärt sich
bereit, mit einer Gespenstermaske eine kurze Einlage an entsprechender
Stelle des Bandes zu geben,
wie, überlassen wir ihm.
20.00
Uhr bereits rappelvolles Haus, so was hatten wir nicht erwartet. "Schmiddi"
macht freundlicher-
weise mal wieder Vorprogramm und er ist diesmal richtig gut. Wenn ich
da an unseren technischen
Aufwand denke, könnte ich glatt neidisch werden, mit welch einfachen
Mitteln man ein so gelassenes
wie das Auricher Publikum nicht nur unterhalten, sondern zum tanzen und
mitklatschen bringen kann.
Gegen
21.00 starten wir unser Set. Mit Trockeneisnebel und indirektem Licht
erklingen als Intro die
ersten Akkorde von Tag, jenem Endlosmusikstück, dass Plasma schon
seit Anbeginn bekannt ge-
macht hat. Nach ca. 3 Minuten folgen die neuen Songs. "Across the
Nightsky", "Dreamer´s Song",
"Cindy" und das konzertante Opus "Old Shepherd" finden
reichlich Anklang. Der Auftritt wird sehr
erfreulich. Wir werden gelöst. Dann soll unser Experiment, das Rockmärchen
starten.
Kurze
Ansage, die Bühne wird dunkel, wir treten zur Seite und vom Band
läuft das dreiminütige Mär-
chen an dessen Ende dann das eigentliche Stücke unter Feuerwerk starten
soll. Im Publikum gebann-
tes Schweigen. Die ersten Dias werden projeziert, Abendhimmel über
einer Ruinenstadt. Trockeneis-
nebel verstärkt die Szenerie und ich kriege kalte Füße.
Hoffentlich werden die Zündschnüre des ben-
galischen Feuerwerks nicht klamm. Wo bleibt nur Helmut mit seiner Showeinlage,
die sollte doch wäh-
rend des Bandmärchens laufen.
Das
Band nähert sich dem Ende, Ich zünde das Feuerwerk, das in 20
Sekunden losgehen soll. Alles
ist bereit. Wie auf Knopfdruck ein Lichtblitz, bunte Flashlights wir starten
"Makata". In der Chorgesang-
stelle zünden endlich auch die bengalischen Fackeln. Tolles Licht,
bloß wie die Dinger stinken...und
da taucht auch schließlich unser Hausgeist auf. Nix Geistermaske.
Ein Bettlaken mit aufgemaltem
Totenkopf übergestülpt vollführt er einen irren Tanz, kämpft
scheinbar mit allen Musikern und wütet
während des Instrumentalteils auch durchs Publikum. Schade nur, dass
er sich ein so kurzes Laken
ausgesucht hat, dass ihm nur knapp über die Hüfte reicht. Ein
Gespenst mit knalleroter Lederhose
hatte bisher noch niemand erwartet. Habe echte Schwierigkeiten mein Lachen
zu unterdrücken wäh-
rend unser Geist wieder hinter der Bühne verschwindet. Das Publikum
nimmt´s ebenso mit Amusement.
Ey, that´s real good Entertainment.
Alles
in Allem ein richtig guter Abend. Sind nach dem Konzert noch kurz an der
Theke, feiern und fröh-
lich sein. Helmut fragt kurz, ob ihn wohl jemand erkannt habe. Wir verneinen
schmunzelnd und ein-
stimmig, "Du warst ja gut verkleidet".. "Eh, Helmut, geile
Einlage"; ruft da einer seiner Bekannten.
"Echt Klasse," und ähnliches bekommt er kurz darauf noch
von anderen zu hören. Jaja, auch das
weißeste Bettlaken wird von einer solchen Lederhose mit Knackarsch
drin offensichtlich übertüncht.
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