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Friesenkraut
4) "
EXKURSIONEN mit und von anderen Muckern"

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Not macht bekanntermaßen erfinderisch und führt auch "Gegner" zusammen....., das gilt vor allem, wenn es ums liebe Taschengeld geht, was bei mir immer eher zu knapp war. Da galt es dann halt einerseits die große Klappe mal etwas kleiner zu halten und, extra sichtbar ausgerüstet mit "Riebes Fachblatt" unterm Arm, bei den ortsinternen "Musikerfachgesprächen" in der Eisdiele zu erlauschen, wer denn gerade welches Musikfachgeschäft in einer anderen Stadt zwecks Erkundung neuester Entwicklungen anzufahren gedenkt und dann irgendwann mal vorsichtig anzufragen, ob man evtl. mitkommen könne.

Bis 1975 waren dies zunächst die Leute von Dusty Flesh (später AURICA oder Shamari Kajo), die doch etwas weiter über den Tellerrand schauten und schon mal nach Oldenburg, Wilhelmshaven oder auch Hamburg fuhren. So eine "Reise" begann gegen 9.00 Uhr, bedurfte einiger Vorbereitungen, z. B. das "Schule schwänzen" entsprechend einzutarnen, dauerte zumeist einen ganzen Tag und lies tatsächlich einen Eindruck von "on the Road sein" aufkommen.

In den entsprechenden Musikgeschäften, wie "Rico F..." in Oldenburg oder "Music City" in Hamburg stand unsereins dann eher staunend rum und bewunderte all die schönen Instrumente, Verstärker und Anlagen, die man sich noch nicht leisten konnte, die aber so schrecklich wichtig erschienen für das eigene Musizieren, während die Kollegen mit gezielten Fachfragen über Möglichkeiten, Preise und Entwicklungen auf dem Gebiet der Tasteninstrumente stundenlang die Aufmerksamkeit des sogenannten "Fachpersonals" im Banne hielten.

Zudem schien das Umfeld dieser Läden und eben das genannte Fachpersonal selbst von einer Aura befremdlicher Spannung umgeben. Die Läden waren entweder in Bahnhofsnähe angesiedelt, was in Oldenburg und Wilhelmshaven mit "Rotlichtmillieu" gleichzusetzen war oder direkt neben der Szene wie "Music City" in Hamburg auf der Reeperbahn. Dies ließ im Nachhinein zumindest eine gedankliche Nähe von Rockmusik und Prostitution und Abenteuer konstruieren. Somit bedeuteten für mich als Provinzjugendlichen diese Ausflüge auch einen ersten Touch mit der "großen weiten Welt".

Auf der anderen Seite sind mir bei solchen Besuchen zum ersten mal leibhaftige Klischeefiguren, wie "der schmierige Makler" in Form solcher Musikalienhändler begegnet. Das sind Leute, die sich zunächst einmal uninteressiert und mundfaul gegenüber Menschen wie unsereins geben, aber mit einem untrüglichen (manchmal auch blindmachenden) Instinkt für das Geld potentieller Kunden ausgestattet sind und, bei Witterungsaufnahme ebendieses Geldes, sich blitzartig in einen fast höflingsartigen Fachberater (blablaspotsbla, schleim, schleim...) verwandeln können.

Das kann sich auch als Nachteil erweisen. Lange Zeit kursierte in der einheimischen Szene die Geschichte, dass einige der frühen Plasma-Mitspieler bei einem solchen Besuch einen Hunderter (hinterstopft mit Papier) aus der Hemdtasche haben sehen lassen und dann nach gesehenem Augenblitzen und Wallen des Fachverkäufers einen geschlagenen Tag alles, aber auch wirklich alles, in seinem Laden ausprobiert haben, um ihm dann am Ende des Tages einen gebrauchten Gitarrenverstärker unter Einkaufspreis aus dem Kreuz zu leiern.

Ein weiteres, nie geahntes Objekt des Besuches, erwuchs 1975 in Gestalt und Person eines Kleiderbügelherstellers in Rinteln. Der hatte irgendwann einmal seine Produktion erweitern wollen und sich mit einem hannoveraner Ingenieur zusammengetan. Die daraus entstandene Firma nannte sich "Maquis" und schickte sich an, das deutsche Pendant zu "Marschall" oder "Hiwatt" zu werden. Die Amps und Boxen waren für die damalige Zeit technisch wirklich gut aufgebaut, aber viel zu teuer und für viele Gitarristen nicht "soundig" genug, was nach nur drei Jahren des Bestehens zur Folge hatte, dass der Kleiderbügelfabrikant wieder nur Kleiderbügel fabrizierte, zudem aber ein Riesenlager von Restbeständen "zu günstigen Konditionen" leeren musste. So lernte ich dann auf einer entsprechenden "Anschautour" auch mal das Weserbergland kennen.

Eine andere solche Exkursion sollte gleich mehrere Tage in Anspruch nehmen. Diesmal hieß das Objekt der Begierde "Musik Produktiv", die zu damals unglaublich günstigen Konditionen "Sound City" Amps und MM-Mischpulte zum Versand anboten. Mit Musikern von drei Bands juckelten wir mit einer klapprigen Ente und einem etwas besseren Gefährts an einem Wintertag zunächst nach Osnabrück, wo wir in einer WG pennten, jedenfalls versuchten wir das. Nach reichlich Genuss von "Gras" aus dem angepriesenen Selbstanbau eines der Bewohner und einiger Flaschen als Gastgeschenke mitgebrachten billigen Rotweins gelang das auch.

Der nächste Morgen und die Hälfte des Tages bestanden dann allerdings aus bleierner Müdigkeit und Kopfschmerzen, was den Start der "interessierten Anschau-, Test- und Einkaufstour" zwar etwas verlangsamte, aber, einmal angekommen, schlug das obligatorische Amp-Testosteron-Phänomen wieder durch und so waren wir bei Geschäftsschluss immer noch da, hatten uns noch für nichts entschieden, nach einigen Telefonaten mit "Daheimgebliebenen" und schlauem Geschwätz über Verstärker als wichtiges Arbeitsgerät, das wohl ausgesucht sein will, etc. aber für reichlich Aufsehen gesorgt.

Man ließ uns daher "gerne" eine halbe Stunde länger wurschteln, kluge-Sachen-reden und begutachten. Kurzum, wir haben 4 Plektren, zwei Sätze Gitarrenseiten, zwei Klinkenkabel und einen Satz Basseiten erstanden und, da es nach der Abfahrt glatt wurde, noch einmal zunächst einen Aldimarkt zum Weinkauf und dann die WG mit den eingangs schon beschrieben Auswirkungen für den nächsten Tag heimgesucht.

An einer weiteren Exkursion habe ich zwar nicht selbst mitgewirkt, mir aber die Geschehnisse von verschiedenen Beteiligten erzählen lassen, schließlich hatte man ja gemeinsame Probleme: kein Geld, kein Geld, kein Geld und brauchte dringend einen neuen (meist den ersten) Verstärker. Jedenfalls gab es auf einmal das Gerücht man könne satt der in Deutschland für Bassisten üblichen Maquis-, Orange-, Hiwatt- oder Marschall-Amps (kaum jemand besaß ein solches Traumgerät) auch die kostengünstigen Verstärker der Firma London City oder Super City benutzen. Diese seien genauso gut aufgebaut und würden von holländischen Bands gerne gespielt. Allerdings waren diese Amps in Deutschland nur schwer zu kriegen und wenn, dann wollte der deutsche Händler auch entsprechen daran verdienen, was wiederum zu der unerwünschten Preissteigerung führte.

Irgendjemand hatte dann aber mal eine holländische Band befragt und erstaunliches herausgefunden: Diese Amps konnte man für den unglaublichen Preis von 350 niederländischen Gulden bei Abnahme von mindestens 5 Stück über Rotterdam Außenhafen als Reimporte einkaufen. Die Szene kochte. Es wurde telefoniert, über Finanzierungen nachgedacht, gejobt, Geld geliehen und sich auch über mögliche Formalitäten des Import-/Exportgeschäfts informiert, eine Prozedur, die eine immense Fachwissensvermehrung zur Folge hatte.

Und so fuhren dann einige der vorhin beschriebenen Musiker ausgestattet mit der klapprigen Freakente, dem nötigen Kleingeld, gültigen Ausweispapieren und einer geliehenen Händlerlizens Richtung Niederlande. Rotterdam muss auf sie großartig gewirkt haben. Sie haben nach eigenen Aussagen einen halben Tag gebraucht, um den Außenhafen zu finden, einen weiteren halben, um reinzukommen und noch einmal solange, um dort den Re-Importeverkaufsschuppen zu finden.

Kurzum, nach einer Woche waren sie wieder da, unendlich reicher an Lebenserfahrung, auch was das Gebaren des bundesdeutschen Zolls anbelangte, der in seinem "Drogendealerverfolgungswahn" ihnen erst einmal das gesamte Auto auseinander geschraubt hatte, aber voller Stolz über das "Geleistete". Ostfrieslands Rockmusikerszene hatte fünf nagelneue "Super City-Verstärker", von denen ich kürzlich, 20 Jahre später, einen immer noch funktionstüchtig bei einer Dixilandkombo wiederfand (hier wird also Gerät noch gepflegt und selbst repariert!!!).

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