nach
oben
nach
oben
nach
oben
|
...ab 1975 begann meine Tramperzeit, die sich bis in die späten 80ger
Jahre
fortsetzen sollte. Dies hatte natürlich auch mit Musik zu tun, denn
die meisten er-
trampten Konzerte hätte ich mit meinem damaligen bisschen Kohle anders
nicht
erreichen können.
Das war der eine Aspekt. Der andere war einfach das "on the
road sein", unterwegs und nicht genau wissen, wo man abends denn
genau an-
kommt. Wichtig nur von zu Hause und dem auricher Kleinstadtmief weg, irgendwo
mit irgendwelchen Leuten an irgendwelchen Seen oder auf irgendwelchen
Rast-
stätten abhängen, den nächsten LKW oder den nächsten
VW-Bus abchecken
und weiter immer weiter. Immer dabei: meine kleine Chinakladde, in der
die
zumeist nachts enstandenen Textfragmente für künftige Songs
ihren Platz
finden sollten.
Im
Sommer 1976 kurz nach dem Abi dann die erste jugendliche Sinnkrise.
Ein Mädchen aus dem größeren Kreis meiner diversen Disco
und Konzertgän-
gerbekannten hatte sich aufgehängt. Sie war schwanger von ihrem Freund,
das
ganze war in der Schule wohl herausgekommen und die idiotische Schulleitung
hatte natürlich nichts besseres zu tun, als das Mädchen von
der Schule zu
werfen anstatt zu helfen und, was das schlimmste war: Eben diese Real-
schulleitung sah sich neben der geäußerten Trauer über
den plötzlichen Tod
des Mädchens auch noch selbstgefällig in Ihrem Verhalten bestätigt.
In
unseren Kreisen kursierten nicht nur Trauer und Wut, die sich oft genug
in Mordphantasien äußerte, es machte sich vor allem eine tiefe
Niederge-
schlagenheit breit, was sich in einer kleinen Szene wie der auricher recht
schnell auf alle übertrug. Unsere langen Discotouren brachten nichts
mehr,
waren kalt und öde und sinnlos. Meine
Band "Epping Forest" löste sich auf
und ich hielt erst mal meinen Daumen in den Wind und trieb mich zwecks
Erholung ein paar Wochen in Marburg und Umgebung herum.
Hier
entstanden auch die für mich zunächst erstaunlichen Begegnungen
mit
der "inneren Musik", eigene Klänge, die aus einer Art meditativer
Stimmung
heraus entstehen und sich so gar nicht mit den sonst so an andere Musik-
stile angelehnten "eigenen" Kompositionen vergleichen ließ..
Zudem hatten
diese so erfühlten Melodien eine solche Intensität für
mich, dass ich immer
wieder aus diesen "gehörten" Melodien spätere Musikstücke
für Protoplasma,
Wahn3eck, vor allem jedoch für die Ethno- und Weltmusikprojekte unter
dem Titel "Elmenland"
(*) zusammenfügen konnte.
Aber
in erster Linie entstanden unterwegs Texte: Highway Trucker, Song for
You, Amsterdam, Rockcity, Where are you, Argus, Tomorrow never knows,
what you are, The Preacher, Heroes und diverse andere, die zumTeil auch
von
anderen Bands mit verarbeitet wurden. Die Texte hatten nur zu einem ver-
schwindent geringen Teil etwas mit den jeweiligen Orten oder Situationen,
in
denen ich mich gerade befand, zu tun. Sie waren meistens eher ein Sammel-
surium von Eindrücken und Beobachtungen, die ungefähr in das
jeweilige
Thema passten. Dass etwas ein Thema sein konnte, ist mir allerdings tatsäch-
lich in solchen Situationen oder an solchen Orten eingefallen. Während
meines
Englischstudiums lernte ich dann Colin McLaughlin kennen, einen Mutter-
sprachler und Songschreiber, der mit mir Stück für Stück
meine Texte durch-
ging und ihnen den nötigen Ausdruck mit den richtigen Worten verlieh.
1981
entstand die MC "Early Mystery", eine Live-Einspielung im Tonstudio
der Emder Band "Amuthon", die ich ebenfalls auf einer Tramptour
kennen-
gelernt hatte. Bisher hatte ich diverse Recording-Erfahrungen bei anderen
auricher Bands, z. B. Schamari Kajo, Alpha Centauri und Wahn3eck ge-
sammelt, allerdings nie vernünftige Aufnahmen von Plasma hinbekommen.
Erst als Kurt Hassel von "Funkbob" uns einmal live mitschnitt,
wurde mir
klar: einen vernünftigen Sound kriegt man nur hin, wenn der Mixer
1) Musiker
ist und sich in die jeweilige Mucke einfühlt und 2) eine bessere
Technik als
die uns zur Verfügung stehende hat. Amuthon hatten beides und dazu
noch
einen Übungsraum in einem emder Bunker, wo man auch nach 24.00 Uhr,
also dann, wenn unsereins anfing fit zu werden, noch ausgiebig "rum-
jammen" konnte.
Wir hatten neue Freunde gefunden, Mucker aus einer anderen Stadt, die
bei weitem nicht so kleinkarriert waren, wie die lieben Kollegen aus dem
Herzen Ostfrieslands, die sich eher als Musikerpolizei aufspielten, als
sich
in Wahrnehmung ihrer Interessen zu einer Musikerinitiative zusammen zu
schließen. Doch auch diese wie andere Musikerbekanntschaften in
der
Provinz brachten außer einigen gemeinsamen Konzerten in den jeweiligen
Städten nicht viel, was einem darüber hinaus geholfen hätte.
Auf ein Promo-
tiontour mit meiner damaligen Kollegin Sabine Bernhard von der Emder Band
"Newport" wurde ziemlich schnell klar: Wenn Du aus der tiefsten
Provinz
kommst, interessiert sich kein Arsch (Veranstalter) für dich.
Meine letzte große Tramptour gemeinsam mit einer WG Kollegin nach
Süd-
frankreich führte mich dann auch nicht nur aus dem provinziellen
Dasein und
Hoffen heraus. Mir wurde so klar wie nie: entweder werden ab jetzt Nägel
mit
Köpfen gemacht, was hieß, runde Kompositionen, die der Zuschauer
erkannte,
sondern auch die Medien einschalten, was hieß, mit einem Produzenten
zu-
sammen zu arbeiten und mit den Möglichkeiten eines professionellen
Ton-
studios zu arbeiten. Beides sollte sich zwei Jahre später auch auftun,
nach
einem Ortswechsel nach Bremen und einer Begegnung mit der Marburger
Band "Scrifis", die mich live absolut begeisterte.
Zugleich
wurde für mich mit dem Ortwechsel auch das Ende der Band ein-
geläutet.Ich wollte nicht mehr, konnte keine Texte mehr schreiben
und musste
mir eingestehen: Alle haben Ihren Job und Du? Bist rumgetrampt, hast zwar
viel erlebt und aufgearbeitet, aber bist selbst dabei auf der Strecke
zu bleiben?
Es wurde höchste Zeit nach einem versiebten Studium endlich meine
eigenen
Felle an Land zu holen und die lagen nun mal doch nicht im "Rock
aus der
Provinz" dem sogenannten "Friesenkraut".
(*)
mehr zum Thema
|