Friesenkraut
1) "Musik und Szene in den 70gern"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Thema Musik und Szene: "Du hast beim Vorgespräch mal kurz Szenerfahrungen und Lieblingsbands aus Deiner Anfangszeit aufgezählt. Da sind z. B. "Lucifer´s Friend", "Can", "CCR" und "Deuter", für mich eine ziemlich unmögliche Mischung, oder?"

...Also zunächst gab´s in Aurich selbst ja nix, wo man als angehender Jugendlicher was
an Musik hätte mitkriegen können. Für Discos war ich zu jung und die einmal wöchent-
lichen Musikabende im Keller unter der Jugendherberge waren einfach zu spät, schließlich
musste ich ja immer noch sieben Kilometer mit dem Rad nach Hause. Also blieb da nur
das Angebot aus den Medien. Hitparade rauf und runter. Nach der (kurzen) Schlagerzeit
auf einer Konfirmandenfreizeit gab´s die ersten Kontakte mit der sogenannten "progres-
siven" Musik.

Dass war zunächst einmal alles, was nicht auf Deutsch daherkam. Dabei gefielen mir vor
allem eingängigen rockigen Nummern von "Creedence Clearwater Revival" und meine erste
Single "Up around the bend" quälte kurz darauf die Ohren meiner Eltern. Das hat so ein
bis zwei Jahre angehalten, die Songs ließen sich auf jeder Wanderklampfe einfach nach-
spielen und waren eigentlich ein prima Einstieg zum selber Musik machen. Ich höre die
meisten Stücke heute noch gerne.

Dann kam mein erster Live-Konzertbesuch. Damals, das muss Anfang 1970 gewesen sein.
In der Aula des Gymnasiums spielte eine Band namens "Spektakel". Für meine Ohren irre
laut und für mich als 3 Minuten-Titel gewöhnten Hörer auch unendlich lang. Pink Floyd und
Gentle Giant vereinten sich in der Musik, wie die lokale Schülerzeitung schrieb und ich hab
mich mächtig angestrengt, aus den tranceähnlichem Klängen etwas mich ansprechendes herauszuhören. Aber ein tolles Erlebnis war es allemal....

....gab es neben dem "Beatclub" am Samstag Nachmittag natürlich jede Menge Radiosendungen. Ganz wichtig dabei die "Musik nach der Schule" und der "5-Uhr Club"
auf NDR 2, wo man auch mal was von der sich formierenden Deutschrockszene hören
konnte und abends dann natürlich die bei uns so beliebten Sender Hilversum 3 und Radio Luxemburg. Jedenfalls waren da ganz andere Bands zu hören. "Uriah Heep", "Deep Purple",
"Black Sabbath", "The Who", "Jethro Tull", "Led Zeppelin", usw., also die etwas "progres-
sivere" und "härtere" Gangart. Und dann stellte im 5-Uhr-Club jemand einen Song vor, der
wie ein Blitz bei mir einschlug: "Ride the Sky" hieß das Ding, wirkte damals berauschend
schnell und hart und stammte von einer Band namens "Lucifer´s Friend".

Als dann am Wochenende genau diese Band auch noch im Beatclub zusammen mit
"Mountain" und "Warhorse" auftrat, mussten zunächst die erste Single, dann die zweite,
später dann die LP und die darauf folgenden her. Ich meine heute noch, dass mich die
unglaubliche Bandbreite der Facettenreichtum ihrer Musik, das individuell hohe Können,
sehr interessante Texte (vor allem auf der LP: "Where the Groupies killed the Blues", mit
denen ich Jahre später noch meinen Englischlehrer genervt habe) und die Professionalität
von "Lucifer´s Friend", was meine Rockmusikvorlieben anbelangt, sehr geprägt haben....

....Dann kam der Sommer ´74. Ich war mal wieder mit den Eltern in Marburg und das
dortige Flair hatte ja immer was mit Studenten, Musik und eben auch damals noch alle-
mal etwas größeres als die ostfriesische Provinz. Hier bekam man in den Plattenläden
durchaus schon mal "Ton, Steine, Scherben", "Ash Ra Tempel", "Tangerine Dream"
oder "Klaus Schulze" zu hören. Außerdem gab´s da jede Menge Politinfos, interessante
Leute und Gespräche und natürlich auch Livekonzerte, von denen man in Ostfriesland
nur träumen konnte.

In diesem Sommer hatte ich eine der seltenen Gelegenheiten, die kölner Band "Can" dort
live zu erleben. Eigentlich ein zweieinhalb stündiges musikalisches Chaos voller Improvi-
sationen, eher ein Happening, nur zusammengehalten vom straighten Schlagzeugspiel
des Trommlers Jaki Liebezeit, aber auf eine besondere Art und Weise so faszinierend
und andersartig als alles vorher gehörte, dass ich mir gleich am nächsten Tag die Doppel-
Lp "Tago Mago" holte und mich richtig in diese Art der Musik versenkte.

"Can" zerstörten jedes mir bis dahin bekannte Klischee von Musik und wie sie zu sein
hatte und baute gleichzeitig etwas total mutiges und eigenes aus den Scherben auf. Hier
habe ich eine besondere Art von Ausdruck kennengelernt. Wahrscheinlich braucht man
Gegensatzpaare um seinen eigenen Weg zu finden, aber ich hab immer schon gerne in
den verschiedensten Nischen rumgekramt und die ein oder andere für mich wertvolle
Entdeckung gemacht.....

...Schließlich und endlich tat sich auch in Aurich was in Sachen Musikkneipen, das
"OM" und die "Diele" in der Wallstraße und "Haros 11-12" an der Nürnburger Straße
waren da so ein bißchen Vorreiter. Andere zogen nach, einige sogar mit Livemusikan-
geboten. Man stelle sich einen Raum nicht viel größer als ein Wohnzimmer vor ein paar
bunte Lampen, Kerzen und dann die Bands mit Miniverstärkern zwischen dem Rest der
Leute quasi auf Hautkontakt so dreißig bis vierzig Leute zusammengepfercht, versuchte
man tatsächlich so etwas wie Clubatmosphäre herzustellen.

Nun ja, das war Gott sei Dank nicht an der Tagesordnung, schließlich wollte man ja als
Schüler einfach nur möglichst progressiven Klängen von "Man" über "Wishbone Ash"
bis "Yes" lauschen, seinen Kaffee oder seine "Gummicola" schlabbern und möglichst
ohne viel Geld auszugeben in Ruhe abhängen....

...meine Vorliebe für die eher meditative Musik von "Hari Deuter" ergab sich erst später,
als ich mich auf mein Kunststudium vorbereitete. Irgendwann 1977 stellte Klaus Wellers-
haus in Musik nach der Schule meditative Musik vor. Da waren ein paar Sachen von
Floyd, etwas Oldfield und drei Songs eben von Deuter, der mir von den frühen Deutsch-
rockalben eher als Sonderling bekannt war. Jedenfalls passte diese Musik sehr zu
meinem Bedürfnis nach Ruhe beim Malen und so "deuterte" es dann in den folgenden
Wochen in meinem Zimmer rum. Was sich in der Musik von Deuter alles entdecken lässt,
und was dies für ein genial verspielter Musiker ist, ist mir erst später klargeworden. In
jedem Fall, für einen Trip in die eigene Innenwelt oder Klangmassagen oder...oder..
immer zu empfehlen....

...jedenfalls sind neben den allgemein bekannten Bands aus den 70gern und meinen
eigenen Vorlieben aus dem Deutsch- und Jazzrockbereich gerade "Can", "Lucifer´s
Friend", "Deuter" und "CCR" die für mich prägensten Künstler geblieben, eben weil ich
in ihrer Musik die meisten eigenen Facetten und musikalischen Bedürfnisse wiederfand.

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