16 Years of Rockcity
Die Bandgeschichte - eine Biographie

Würde man über die Geschichte von PROTOPLASMA ein Buch schreiben, so wäre es
wohl eine ausgesprochene Millieustudie über Jugend, Rockmusik und Heranwachsen in
der tiefsten Provinz in den siebzigern und achtzigern des letzten Jahrhunderts. Doch da
die Band viel von dem bereits in ihren Songs und Texten geschrieben und immer wieder
live gespielt hat, hier nur ein kurzer biographischer Ausschnitt aus diesen 16 Jahren nord-
deutscher Rockaktivitäten.

!) Von der Schulbank auf die Bühne,
2)
Musik da machen wo man sonst nur abhängt,
3) Die zweite Generation startet,
4) Berufsausbildung contra Mucke,
5) Neue Leute, neue Kraft,
6) Die Musik, die Kühr


Teil 1: "von der Schulbank auf die Bühne"

Als Jörg Wübbenhorst, Kalle Schmidt, "Sonny" Höttger und "Rollo" Struckmeyer Ende 1971
eine der vielen Schüler- /Azubibands in Aurich gründeten, ahnten sie nicht, das sie damit
den Grundstein für eine der langlebigsten Rockcombos der norddeutschen Musikszene leg-
ten. Probte man zunächst in Vater Wübbenhorst´s Garage, wurde spätestens nach Erwerb
der ersten richtigen Verstärker das ganze Jamspektakel zu laut für die Auricher Innen-
stadtanwohner. Die "Band" begab sich wie viele auf Suche nach einem geeigneteren
Übungsraum sowie weiteren Musikern.

1972 taucht der Name PROTOPLASMA dann zum ersten mal anlässlich des "Rock- &
Bluesfestivals" in der "Grünen Tanne" in Aurich auf. Das Debütkonzert mit nur 3 Titeln bringt
der Band auch wegen eines umfangreichen Bass/Schlagzeugsolos viel Applaus und Aufmerk-
samkeit. "Gogo" Wübbenhorst (Gitarre), Reinhard Reck (Gitarre), Edgar Loga (Gesang,
Percussion), "Sonny" Höttger (Bass) und "Kalle" Schmidt (Schlagzeug) stellen das erste
öffentliche Line-up der Band.

Geprobt wird in einem Gemeindehaus in Aurich/Sandhorst. Die Schüler- und Azubiband
durchlebt in den folgenden Monaten einige Höhen und Tiefen. Gogo verlässt die Gruppe.
Als Quartett machen sie weiter und erleben im Vorprogramm der Bremer Band "Thirsty
Moon" in der Wiesmoorer Festhalle einen ersten Höhepunkt ihres Bestehens.

1973 "Sonny" Höttger verlässt PROTOPLASMA. Für ihn kommt Helmut Reck am Bass.
Die Jam-Abende in Sandhorst werden nach ausgiebigen Probesessions auf dem Lande
in einen alten Post- LKW verlegt, der bis 1976 auch als Bandbus dient. Erste Touren durch
Ostfrieslands Jugendzentren, Konzerte in Schulen und beim legendären "Sock-Hop" im
"Ostfrieslandhaus" folgen.

1974 übernimmt die Nordwestmusikinitiative das Bandmanagement. Eine eigene Lichtan-
lage wird angeschafft. PROTOPLASMA" spielt mittlerweile ein umfangreiches Programm
im Stile von Bands wie UFO. Rockmusik, Balladen mit längeren Soloparts für Gitarre und
Raum für Improvisation. Kalle Schmidt verlässt die Band ende des Jahres. Für ihn wird in
Dieter Tunder ein passender Ersatz gefunden. Dieter Tunder bringt einige Jazzrockeinflüsse
in die Musik. Der Sound wird gerader.
Mit Enno Neyer (12-saitige Gitarre) wird nicht nur eine neue Klangfarbe in die Musik einge-
fügt. Er wird auch durch sehr melodiöse Kompositionen eine echte Bereicherung. Konzerte
über Ostfriesland hinaus auch auf größeren Festivals folgen.

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Teil 2: "Musik da machen wo man sonst nur abhängt"
Ebenso interessieren sich die einschlägigen Szeneclubs und Diskotheken für den Sound.
Bei einem Konzert im "Fehnhaus" kommen über 500 Zuschauer, weit mehr, als der Club
fasst. 1975 ist eine fast nahtlose Fortsetzung der Konzerterfolge in allen ostfriesischen und
angrenzenden Städten. Die Kompositionen der Band sind zunehmend strukturierter und
runder geworden, die endlosen Solopassagen verschwinden merklich im Hintergrund.
Songs wie "Lonesome Trees" oder "Dream" werden bei Konzerten mitgesungen. Im Drei-
erpack zusammen mit dem Bluesgitarristen Dieter Schmidt und der Auricher Jazzrockfor-
mation "Jazzweg" tourt man durchs Emsland und ins nördliche Ruhrgebiet.

1976 wird die Band um den Keyboarder Horst Nosowski erweitert. Die Musik driftet ins
Psychedelische ab. Endlose Klangexperimente auf der Bühne verwässern den Sound.
Nur noch schwer findet man sich zu neuen Kompositionen zusammen. Mitte des Jahres
verlassen zunächst Enno Neyer, dann Edgar Loga und Horst Nosowski die Band.

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Teil 3: "Die zweite Generation startet"
Ende des Jahres dann ein Neubeginn, nachdem auch Helmut Reck sich aus beruflichen
Gründen von PROTOPLASMA losgesagt hat. Martin Zimmermann (vormals bei "Euklit"
kommt als Routinier an der 2 . Gitarre hinzu, "Kalle" Grote (vormals "after eight" und
"Epping Forest") übernimmt den Bass und auch Dieter Tunder wird durch "Hacki"
Schonlau (vormals "Weiß der Teufel") an den Drums ausgetauscht. 1977 richtet sich
PROTOPLASMA in einem alten Loreschuppen auf dem Gelände der alten Ziegelei auf
dem Lande
ein.

Die neuen Mitglieder bringen auch diverse Neuerungen in Programm, Komposition und
Arbeitsweise. Die Rolle der Rhythmusgruppe wird neu definiert. Vertrakte ausgedehnte
Stücke wie "Old Shephard", "Desert Dreams" wechseln mit swingend-jazzig angehauchten
Improvisationstiteln ("Tramp", "Dance of the Gogomutel"). Aber auch vertraute Titel des
alten Repertoires ("Tag", Lonesome Trees", "Dream" oder "Yesterday") erfahren in über-
arbeiteter Form Wiedergeburt. Eine erste größere PA-Anlage entsteht und Ende 77 finden
auch erste Konzerte des neuen Line-ups statt. Diesmal arbeitet man sich von außerhalb
allmählich an das "ostfriesische Kernland" heran.

1978-80 entwickelt die Gruppe verstärkt Konzeptprogramme. Das Rockmärchen "MAK-
ATA", die Friedenshymne "Heroes" lassen erste Polittöne einer sich sammelnden Anti-
AKW- und Friedensbewegung durchscheinen. Konzerte in ganz Niedersachsen festigen
das anfangs etwas zaghafte Liveauftreten und man kann an alte Zuschauerzahlen, auch
mit jüngeren Publikum anknüpfen.

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Teil 4: "Berufsausbildung contra Mucke oder so...."

1981 Verlust des Ziegelei-Domizils, Studium von Schlagzeuger "Hacki" in Würzburg und
Bassist "Kalle" in Oldenburg zwingen die Band zu einem anderen Arbeiten. Man trifft sich
privat zum akustischen "Trockenüben", neue Ideen werden per Kassette verschickt, alle
anderthalb Monate gibt es immer irgendwo auf dem Lande ein ausgiebiges Probenwo-
chenende, seltener jedoch Konzerte. Dafür entstehen bei einer dieser Probejams die
ersten Bandaufnahmen. Hatte man sich lange Zeit nicht um Demos kümmern müssen,
wurden sie auf einmal für Clubbesitzer zum Maßstab für Auftritte.

1981 folgen nach einer gemeinsamen Tour mit den Göttinger Jazzrockern "Missus
Beastly" die ersten Konzertmitschnitte bei Open Air Festivals in Esens, Wiesmoor und in
Lingen.

1982 ist man zunächst bei den Kollegen der Emder Band Amuthon im Studio für neue
Demos tätig. Ein Frühjahr voller Konzerte unter anderem mit Jane, Birthcontrol und Epitaph.
Im Sommer ist PROTOPLASMA zu Gast beim legendären Halbemond-Open-Air. Wieder
wird mitgeschnitten genauso beim Gig im Pumpwerk in Wilhelmshaven. Alle Aufnahmen
sind gedacht für eine PROTOPLASMA-Live-LP.

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Teil 5: "Neue Leute, neue Kraft..."
Dazu soll es jedoch zunächst nicht kommen, denn als im Herbst ein neuer Techniker ge-
sucht wird, stellt sich in Udo Gerdes ein Mann mit vielen Fähigkeiten, vor allem jedoch
überragenden gesanglichen Qualitäten vor. Ab jetzt hat die Band wieder einen Frontmann,
was dieser nach nur zwei Proben beim Emder-Musik-Ei-Festival gleich unter Beweis stellt.

1983 wird mit Hendrik Neumann ein vielseitiger junger Percussionist weiteres Mitglied
und an der Technik gesellt sich Rainer Ewen dazu. Die Musik der Band entwickelt sich
Richtung Latin-Rock, die Songs werden unkomplizierter, Groove und Dynamik nehmen zu.
Aber auch der PROTOPLASMA-Klassiker "TAG" erlebt eine Renaissance und wird zum
zentralen Stück des Programms. NDR 2 strahlt das Instrumentalstück "Federflug" mehr-
fach aus.

1984 entsteht zunächst wieder ein neues Liveprogramm. Konzerte in Ostfriesland, Ems-
land, Weserbergland folgen, viele Lifemitschnitte, Udo zieht studientechnisch nach Ham-
burg, was mit vielen Gastmusikern und anderen in einem großen Spektakel unter dem
Motto "alles anders" im Auricher Schlachthof gefeiert wird.

1985 Konzerte in Oldenburg, Bremen, neues Programm, neues Demo, einige Open-Air-
Festival in Norddeutschland. Die Band wird wieder rockiger.

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Teil 6: "Die Musik, die Kühr...und gut und tschüss!"
1986 Reinhard Reck verlässt PROTOPLASMA. Mit ihm geht das letzte Urmitglied. Nach
kurzer Zeit wird in Hermann Harms ein Sologitarrist gefunden, der den melodiösen Stil
mehr in den Vordergrund stellt. Erste Probegigs laufen gut. Die folgende Kleintour unter
dem Namen "Sternenfeuer"
führt die Band mit ausgekügelter Licht- und Diapräsentation
durch Niedersachsen und nach Schleswig-Holstein. Radio Bremen lädt ein zum City Beat.

1986/87 Studioaufnahmen im Up-to-Tape-Studio in Bremen für die erste Plasma LP
"Heroes". OK-Radio Hamburg läd ein. "Heroes" und eine Lifemitschnittansammlung
"Live at..." werden zunächst als MC vertrieben.

1988 Konzerte in Schleswig-Holstein und ganz plötzlich aber absehbar im Herbst... Ab-
schied aller Mitglieder, die Band löst sich nach 16 Jahren auf. Es war für viele Musiker
eine wichtige, oft arbeitsintensive, aber dennoch erfahrungsreiche Zeit vor allem "on stage".
Eine Reunion oder Ähnliches ist bisher nicht geplant und wird es wohl auch nicht geben.
"World is just a Fantasy and Love just a four letter word, so goodbye"
(John Lawton /Joan Baez)

Folgebands u./o. Produktionen: "Rockwaves" (95-2001, Rock, Aurich) "Schmiddi´s
Bluestrain" (92-2001, akkustik-Blues, Aurich) "Elmenland" (90-2001, Ethno-, Folk- u.
Filmmusik, Kiel/Marrakech), "Virtuell Dreams" (90-95, Art- & Jazzrock) sowie diverse
Session- und Studioprojekte einzelner ehemaliger Bandmitglieder.

Teil 7: "Für alle Nostalgiker...:"
Mehr zu Texten und Hintergrundgeschichten gibt´s unter "Songs & Stories"

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